Bewältigen von Versagensängsten
28.05.2007 von Osponde
Gefühle gehören zu unserem Menschsein. Für mich ist Freude das schönste Gefühl. Wer sich freuen kann ist ein glücklicher und entspannter Mensch. Zu den positiven Gefühlen gehört auch die Liebe in ihren verschiedenen Äußerungsformen. Liebe gibt uns Geborgenheit, Festigkeit und Sicherheit.
Es gibt aber auch negative Gefühle: Gefühle des Hasses, der Minderwertigkeit, des Überfordertseins, der Unterlegenheit, der Schwachheit und der Ohnmacht. Gefühle können uns überwältigen, besonders negative Gefühle, wie Angst, Traurigkeit, Verzagtheit. Gefühle können uns beherrschen. Manche Leute können ihre Gefühle nicht beherrschen, wie es oft bei Gefühlen des Zorns und des Hasses der Fall ist.
Gefühle erkennen, verstehen und damit umgehen. Bewältigen von Versagensängsten und Minderwertigkeitsgefühlen
Ein befreundeter Pastor leidet an einem starken cholerischen Charakter. Es passierte ihm mehrmals, daß er mich vor Anderen gründlich zusammenstauchte. Er blieb ein Mann nach dem Herzen Gottes weil er sich für seine Ausbrüche von Herzen entschuldigen konnte. Bei älteren Menschen nehmen negative Gefühle in der Regel ab. Gefühle haben ihre Ursachen. Häufig sind es Erlebnisse und Prägungen, die sich in uns festgesetzt haben.
Wir waren einmal mit unserem Hund am Bodensee spazieren und begegneten einer Frau aus unserer Gemeinde. Je näher wir ihr kamen, desto unruhiger wurde sie. Sie hatte Angst vor Hunden. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben prägen unser Gefühlsleben und unsere Reaktionen auf bestimmte Situationen. Wenn jemand beispielsweise schlechte Erfahrungen mit Personen des anderen Geschlechts gemacht hat kann es sein, dass er Angst vor neuen Erfahrungen im Bereich Freundschaft und Partnerschaft hat. Negative Erfahrungen sind wie Furchen, die mit einem Pflug in unser Inneres hineingegraben wurden; man kann sie auch mit einem eingefahrenen Feldweg vergleichen, aus dem nur schwer herauszukommen ist.
Wenn wir in die Bibel hineinschauen, stellen wir fest, dass Gefühle ein wesentlicher Bestandteil des Lebens sind. Dabei stellen wir fest, dass unser Gott ein gefühlvoller Gott ist. An einer Stelle heißt es:"Unser Gott fährt auf mit Jauchzen." Viele Menschen haben von Gott die Vorstellung eines kontrollierten, griesgrämigen, kritischen und mürrischen Gottes mit Bart, der das Weltgeschehen beobachtet um mit Blitz und Donner strafend einzugreifen. Gott freut sich, wenn es seinen Kindern gut geht. Er kann aber auch zornig sein. Aber er ist auch gnädig und barmherzig.
Wenn David eine große Not hatte, zerriß er seine Kleider und drückte damit seinen Schmerz aus. Es kam auch vor, dass sich Menschen Asche auf ihr Haupt streuten als Ausdruck ihres Schmerzes und ihrer Trauer. Als David die Bundeslade nach Jerusalem holte, tanzte er voll Freude in aller Öffentlichkeit. Wir sehen also in der Bibel, dass die Männer Gottes ihre Gefühle zum Ausdruck brachten. Wir empfinden es eher als peinlich, wenn wir unsere Gefühle zeigen.
Heute möchte ich besonders auf Gefühle der Minderwertigkeit und der Versagensangst zu Sprechen kommen. Wir alle führen in unserem Inneren einen verborgenen Dialog. Manche neigen beispielsweise zum Eigenlob. Dieses innere Gespräch ist geprägt von unseren Erfahrungen. Betrachten wir als Beispiel ein sensibles Kind: Es macht negative Erfahrungen in der Schule, es kann nicht mit den Fähigkeiten seiner Mitschüler mithalten und es fällt ihm schwer Kontakt zu seinen Klassenkameraden zu finden; vielleicht fühlt es sich von seinen Eltern unverstanden und im Stich gelassen.
So entsteht eine innere Prägung in der Seele des Kindes und es beginnt sich minderwertig zu fühlen. Die innere Botschaft lautet: "Ich kann nicht". Die Folge sind Angst und Minderwertigkeitsgefühle. Unser innerer Dialog wird sehr stark bestimmt von dem, was Menschen, die uns nahe stehen, in unser Leben hineingesprochen haben. Bei guten Botschaften entsteht innere Sicherheit, bei negativen Botschaften Angst, Verunsicherung und Minderwertigkeitsgefühle. Dies ist uns mehr oder weniger bewusst. Deshalb ist es wichtig, diesen inneren Dialog näher zu betrachten. Wir müssen uns bewusst werden, welche Signale aus unserem Gefühlsleben gesendet werden.
Ich möchte dazu ein Beispiel aus meinem Leben geben. Ich hatte einen Vater, an den ich weitestgehend positive Erinnerungen habe. Damals war die Zeit des Wirtschaftsaufschwungs in der Bundesrepublik. Mein Vater war Ingenieur und machte einige sehr erfolgreiche Entwicklungen auf dem Wirtschaftsmarkt. Innerhalb von zehn Jahren baute er ein Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern auf. Er starb dann an einem Herzleiden. Es war kein Eigenkapital vorhanden, das Unternehmen finanzierte sich aus den Umsätzen und den neuen Produkten, die auf dem Markt erfolgreich waren. Es gelang unserer Familie mit heiler Haut aus diesem Unternehmen auszusteigen. Wegen seines wirtschaftlichen Erfolgs wurde mein Vater in unserer Region hochgeachtet. Er wurde auch in unserer Familie sehr verehrt. Ich erlebte ihn als sehr liebevoll, aber ich spürte auch seine Erwartungshaltung mir gegenüber. Er hatte bereits mit sechzehn Jahren sein erstes Patent angemeldet und hatte schon im Alter von neun Jahren ein Radio mit Lautsprecher gebaut. Als ich in dieses Alter kam und sich herausstellte, dass ich kein Interesse an technischen Dingen hatte, merkte ich, dass mein Vater versuchte, seine Maßstäbe an mich anzulegen. Ich war technisch einfach nicht begabt. Bereits Jahre nach seinem Tod hatte ich folgendes Erlebnis: Ich war mit meiner Mutter in einer Metzgerei und meine Mutter wurde nach meinen Leistungen in der Schule befragt und danach ob ich auch so begabt sei wie mein Vater. Meine Mutter reagierte etwas verlegen, woraufhin die Metzgerin vor der ganzen Kundschaft ganz verständnislos meinte:"Woran liegt´s denn, dass ihr Sohn nicht nach dem Vater gerät?" Bei uns in der Küche hing ein Bild meines Vaters und immer wenn ich darauf blickte, war es mir als wollte er mir sagen:"Junge, was wird nur aus dir werden?" Als ich dann von zu Hause in ein Internat wechselte spürte ich eine große Erleichterung.
Ich kam zu folgender Entscheidung:
Ich bin ich, und ich muß nicht meinem Vater nacheifern. Ich begann innerlich frei zu werden von diesem Leistungsdruck, der auf mich gelegt worden war. Heute bin ich wirklich frei von diesem Druck und habe meinen eigenen Weg gefunden. Ich habe Gottes bedingungslose Annahme erfahren. Gott sagt:"Fürchte dich nicht, ich halte dich aus und ich bin für dich". Jeder von uns kann auf Erfolge und auch auf Versagen in seinem Leben zurückblicken. Es ist wichtig, dass wir uns bewusst werden, wie wir innerlich mit uns selbst umgehen. In Psalm 139,14 heißt es:"Ich preise dich darüber, dass ich auf eine erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke und meine Seele erkennt es wohl." Wir müssen begreifen, dass wir uns Gottes Liebe und Annahme nicht verdienen können und brauchen. In der Gemeinschaft mit Gott darf ich zu der Persönlichkeit heranreifen, zu der Gott mich berufen hat. Gott hat für jeden von uns eine Berufung für sein Leben, die unseren Fähigkeiten entspricht. Wir entdecken unsere Berufung nur dann, wenn wir aufhören, uns selbst oder anderen Menschen etwas beweisen zu wollen, wenn wir es wagen uns für Gottes Liebe zu öffnen. Laß es zu, dass Gottes "Ja" dein Herz erreicht.
Folgende Fragen möchte ich dir als Anregung mit auf den Weg geben:
Wie sieht mein Gefühlsleben aus? Setze dich mit deinen Gefühlen auseinander und versuche, die Ursachen dafür herauszufinden. Mußt du dir selbst oder anderen beweisen, dass du leistungsfähig bist oder gelingt es dir, Entspannung in Gott zu finden?
Ein Artikel von Glaube.de.
Autor: Winfried Hahn/ Leiter des De´Ignis Wohnheimes für psychisch kranke Menschen
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